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Hochverarbeitete Lebensmittel: Ein Zuviel schadet der Gesundheit

Das Angebot und der Konsum von industriell hergestellten Lebensmitteln nimmt zu. Gleichzeitig zeigen immer mehr wissenschaftliche Studien: Ein Zuviel an hochverarbeiteten Lebensmitteln kann Übergewicht und viele chronische Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen begünstigen. Hier ein Überblick.



Fast Food und Snacks


Die Versorgung mit Lebensmitteln sowie das Kauf-, Koch- und Essverhalten der Menschen veränderte sich in den letzten Jahrzehnten enorm. Das Angebot und der Konsum so genannter „hochverarbeiteter Lebensmittel“ (HvL) nimmt mittlerweile einen großen Anteil in unserer Ernährung ein. So zeigte eine Studie aus dem Jahr 2022 mit Daten aus 22 EU-Ländern: 27,2 % der täglichen Energiezufuhr werden durchschnittlich aus HvL zugeführt. In Österreich liegt dieser Wert mit 30,2 % bei den Frauen und 31,7% bei den Männern knapp über diesem EU-Schnitt (Mertens et al., Eur J Nutr. 2022). Beinahe ein Drittel der Tagesenergie führen wir also aus HvL zu – Tendenz sehr wahrscheinlich steigend.


Was sind hochverarbeitete Lebensmittel?

HvL sind verzehrfertige Produkte, die durch eine Kombination von lebensmittelbasierten oder synthetischen Zutaten im Rahmen hochtechnisierter industrieller Prozesse hergestellt werden. Beispiele dafür sind kohlensäurehaltige Erfrischungsgetränke, süße und salzige Snacks, Frühstückscerealien, Eiscreme, Süßigkeiten, Kekse, Margarine, Tiefkühlpizza, Geflügelnuggets, Würstchen oder Instantsuppen, aber z.B. auch pflanzliche Alternativen für Fleisch, Milch, Joghurt und Käse.

Häufig sind industriell verwendete Substanzen wie z.B. hydrierte Öle, Glucose-Fructose-Sirup oder auch Proteinisolate die Zutaten. HvL enthalten meist auch Lebensmittelzusatzstoffe, um sensorische Qualitäten zu imitieren oder zu verbessern bzw. ungenießbare Aspekte im Endprodukt zu überdecken. Charakteristisch ist auch, dass HvL verpackt sowie lange haltbar sind und in der Regel intensiv vermarktet werden.

 

HvL: Die Gruppe 4 in der NOVA Klassifizierung

HvL stellen die Gruppe 4 der im Jahr 2010 eingeführten NOVA-Klassifikation von Lebensmitteln dar (siehe Tabelle). Diese Klassifizierung orientiert sich am Grad der Verarbeitung und wurde 2017 vom brasilianischen Ernährungswissenschafter Carlos A. Monteiro publiziert. Er definierte den Begriff „Hochverarbeitete Lebensmittel“ 2009 erstmalig.

 

 

DIE NOVA KLASSIFIKATION


Stufe 1: unverarbeitete bis minimal verarbeitete Lebensmittel Verarbeitung: frisch, getrocknet, erhitzt, gepresst, fermentiert, gefroren (z.B. Gemüse, Pilze, Kräuter/Gewürze, Samen, Getreide/-mehl, Kartoffeln, Milch, Eier, Joghurt, Käse, Tee, Kaffee, Fleisch, Fisch)


Stufe 2: leicht verarbeitete Lebensmittel bzw. Zutaten Verarbeitung: gepresst, raffiniert, gemahlen, getrocknet, zerkleinert (werden nicht „einzeln“ verzehrt, sondern für den Geschmack der Speisen zugegeben; z.B. Salz, Zucker, Honig, Pflanzenöle, Essig, Getreidestärke, Backpulver)


Stufe 3: verarbeitete Lebensmittel Verarbeitung: geräuchert, gepökelt, gebacken, konserviert, gegärt (z.B. Brot und Gebäck, Teigwaren, Konfitüren, Aufstriche, eingelegte Gemüse, Konserven, Eingemachtes, Bier, Wein)


Stufe 4: stark verarbeitete Lebensmittel Verarbeitung: industriell meist mit Zusätzen hergestellt (z.B. Fertigprodukte, Cerealien, Riegel, Back- und Süßwaren, Wurst- und Fischprodukte mit Zusätzen, Milchprodukte mit Fruchtzusätzen)

 

 

HvL – so ungesund sind sie

HvL haben meist einen hohen Gehalt an Salz, Zucker und gesättigten Fetten und im Gegensatz dazu einen niedrigen Gehalt an Ballaststoffen, Mineralstoffen und Vitaminen (außer sie wurden industriell zugesetzt). Die Dichte an wertvollen Nährstoffen ist in der Regel also gering, bei gleichzeitig hoher Energiedichte.


In den letzten Jahren gerieten HvL zunehmend in den Fokus der Wissenschaft. So gibt es bereits zahlreiche Studienergebnisse, die auf eine mögliche gesundheitliche Beeinträchtigung bei hohem Konsum hinweisen. Dies betrifft beispielsweise ein erhöhtes Risiko für Übergewicht und Adipositas sowie für das Entstehen von Krebserkrankungen und die Sterblichkeit durch Krebs. Umgekehrt zeigen Studien auch: Durch eine Reduktion des HvL-Konsums zu Gunsten frischer Lebensmittel (NOVA 1 statt 4), kann das Erkrankungsrisiko für verschiedene Krebsarten reduziert werden. Auch negative Effekte auf das Herz-Kreislauf-System und den Stoffwechsel (Blutfette, Blutzuckerwerte, Insulinresistenz) werden mit HvL wie z.B. Kuchen, Süßigkeiten und Keksen in Verbindung gebracht. So konnten mit zunehmendem Konsum auch höhere Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes beobachtet werden (Rauber et al., Eur J Nutr 2021; Beslay et al., PLoS Med. 2020; Chang et al., eClinicalMedicine 2023; Fiolet et al., BMJ 2018; Kliemann et al., Lancet Planet Health 2023; Bermingham et al., Eur J Nutr 2023; Cordova et al., Lancet Reg Health Eur 2023). Eine Analyse von 281 Studien aus 36 Ländern ergab zudem, dass sowohl bei Kindern als auch Erwachsenen ein suchtähnliches Verlangen nach HvL vorliegen kann (Gearhardt et al BMJ, 2023).


Das ungünstige Nährwertprofil der meisten HvL ist dabei wahrscheinlich nur ein Aspekt für deren negative Gesundheitseffekte. Auch die hochtechnologischen Verarbeitungsprozesse stehen in Verdacht, welche die Bildung von potenziell toxischen Verbindungen wie polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, Transfettsäuren oder Acrylamid begünstigen. Außerdem ist es möglich, dass durch die lange Kontaktzeit mit synthetischen Verpackungsmaterialien Schadstoffe wie Phthalate und Bisphenole auf die Lebensmittel übergehen. Noch nicht endgültig geklärt sind zudem die Sicherheit und die negativen Auswirkungen hoher Aufnahmen von Zusatzstoffen (wie z.B. künstlicher Süßstoffe) bei hohem Konsum von HvL.

Auch wenn sich die wissenschaftlichen Hinweise zum negativen Effekt von HvL auf die Gesundheit zunehmend verdichten, sind für eine abschließende Beurteilung weitere Studien notwendig. Dass die Gruppe der HvL sehr uneinheitlich ist, macht eine Bewertung alleine auf Basis des Verarbeitungsgrades in vielen Fällen schwierig.

 

Tipps für die Praxis

Unabhängig von der finalen wissenschaftlichen Bewertung von HvL ist jedenfalls klar (und auch übereinstimmend den üblichen Empfehlungen): Je weniger verarbeitet, frischer und natürlicher ein Lebensmittel ist, umso besser! Dafür lohnen sich diese Tipps:


  • Legen Sie den Fokus auf un- bzw. wenig verarbeitete Lebensmitteln und Zutaten (NOVA Gruppe 1 und 2).

  • Kochen Sie so oft wie möglich selbst mit frischen Zutaten und verzichten Sie weitgehend auf Fertiggerichte.

  • Achten Sie generell auf die Nährwertkennzeichnung und Zutatenliste am Etikett. Bevorzugen Sie Lebensmittel mit möglichst wenig Zutaten, Zusatzstoffen sowie geringem Gehalt an Salz, Zucker und Fett.

  • Achten Sie auf Ihre Konsumhäufigkeit: Konsumieren Sie HvL jeden Tag oder vielleicht nur jeden dritten Tag?

  • Wenn Sie HvL konsumieren, dann bewusst in kleinen Portionsgrößen.

  • Wer sich verstärkt (oder rein) pflanzlich ernähren möchte, sollte bei der Auswahl von industriellen Ersatzprodukten (wie z.B. vegane Wurst) wachsam sein und idealerweise auf möglichst unverarbeitete pflanzliche Lebensmittel zurückgreifen.

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